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Einen Radmarathon in den Vogesen zu fahren ist dem Schwarzwälder - schon räumlich - näher als dem Tübinger ( bzw. Gomaringer). So kam die Idee, den „Trois Ballons" in den Vogesen zu fahren auch von unserem Neu-Pfeiler Matthias aus Freudenstadt – meinem Bruder.

 

Da wir beide gerne „Berg fahren“, planten wir – gutes Wetter vorrausgesetzt - die gut zweistündige Fahrt von Freudenstadt auf uns zu nehmen, um die Herausforderung der 4300 Hm und 205 km in Angriff zu nehmen. Nachdem sämtliche Online-Dienste gutes Wetter ankündigten, wurden bereits auf dem Kniebis im Auto bei Starkregen erste Zweifel geweckt. Erst weiter im Süden kurz vor Freiburg waren die Strassen wieder trocken, aber genau im Startort Champagney ( Nähe Belfort /Südrand Vogesen) öffnete Petrus wieder kräftig seine Schleusen. Für uns war beide sofort klar – so macht die Sache keinen Spass. Im Internetzeitalter kam dann die Rettung in Form des „Regenradars“ auf meinem Handy, das uns zeigte, daß im Umkreis von 100 km nur in einem kleinen Tal im Süden der Vogesen – nämlich genau über uns – die letzten Regenwolken feststeckten.


20 Min vor dem Start meldeten wir uns kurz entschlossen an und fuhren um ca. 7.20 Uhr – bereits ohne Regen - mit 2.700 weiteren Startern über den Start mit elektronischer Zeitmessung. Hier noch der Hinweis, daß in Frankreich grundsätzlich ein medizinisches Zertifikat benötigt wird – dieses hatte mir eine freundliche Bosch-Werksärztin am Vorabend noch kurzfristig ausgestellt.

Bereits im dichten Feld der ersten Kilometer, startete mein Bruder seinen „Turbo“ mit einem Slalom durch das Feld – so daß ich seine Stimme erst 205 km später im Ziel „ich warte dann beim Auto“ hören konnte. Im Glauben ihn evtl. noch erreichen zu können zog auch ich das Tempo deutlich an, was durch ein allgemein sehr hohes Tempo vieler Fahrer noch beflügelt wurde. Bei inzwischen fast blauen Himmel -mit einigen Wolkenfetzen über dem wunderschönen einsamen Strässchen (Autos Fehlanzeige), fuhren wir den ersten 850 hm Anstieg auf den 1200 M hohen “Ballon de Severance”(vergleichbar Kandel).

Da mich hier immer noch etliche überholten, wurde mir bewusst, daß das konditionelle Niveau dieser Veranstaltung doch deutlich über den üblichen deutschen Marathons wie z. B. SURM Alpirsbach, Altdorf oder auch in der Schweiz “Alpen Brevet liegt. Das in Belgien (zahlreichste Nation beim Trois Ballons), Frankreich und Holland Radsport, ähnlich wie bei uns Fussball, Volkssport ist – hat neben der positiven Einstellung der Bevölkerung eben auch Auswirkungen auf das allgemeine sportliche Niveau der Radfahrer. Im Unterschied zu deutschen RTFs gab es so auch so gut wie keinen ungeduldigen Autofahrer, selbst wenn das Feld im langsamen Bergtempo mal wieder die gesamte Strassenbreite beanspruchte. Ausserdem waren über die gesamte 205 km Strecke sämtliche (!) Kreuzungen mit Streckenposten und Vorfahrt für die Radler augestattet (Ausnahme: Zwei rote Ampeln – wo man mit Kellen angehalten und dann im grossen Pulk durchgewunken wurde).

 

Im Streckenverlauf folgten dann zwei kleinere Anstiege ( vergleichbar Albaufstieg), bis wir dann am Col du Markstein ( wieder auf autofreien Strassen) über Serpentinen und Höhenunterschieden auf Alpenniveau die 1100 –1300 M hohe Vogesenhöhenstrasse erreichten. Von dieser ca. 20 km langen teilweise baumfreien welligen Kammstrasse boten sich immer wieder schöne Ausblicke auf die 1000 m tiefere Rheinebene oder auf die wellige Landschaft der Vogesen mit Bergseen. Das Ende dieser Passage wurde dann nach 98 km Gesamtstrecke beim Grand Ballon ( 1320 Hm) und der ersten Verpflegungstelle erreicht. Hier muss man sich allerdings in Frankreich auf etwas dürftigere Kost (Backpflaumen, Süßbrot) einstellen. Auch der Kampf ums Auffüllen meiner Trinkflasche gestaltete sich etwas zeitaufwendiger als von deutschen RTF’s gewohnt.


Nach rund 15 km Abfahrt ging das immer noch gut zusammengehaltene “Feld” in den Col du Hunsrueck mit seinen 15% Passagen bekannt durch den Tour de France Ausspruch– Udo Boelts an Jan Ullrich: “Quäl Dich Du Sau!”. In einem ähnlichen Modus war auch mein Befinden inzwischen angelangt – passend dazu folgte sogleich wieder ein “richtiger” 750 Hm Anstieg auf den letzten Ballon – d’ Alsace.

Wer nun mitgezählt hat und nach dem dritten “Ballons” das Ende der Berge vermutete, wurde nach 30 km flachem bzw. welligem Gelände von einer Besonderheit dieses Marathons überrascht: Wieder zurück am Start in Champagney, wird dieser Punkt nun als letzte Verpflegungstelle genutzt, bevor nach leicht ansteigender Talfahrt die Bergzielankunft “La planche des belles filles” ( “Ebene der schönen Mädchen”) mit einer fürchterlichen Rampe angesteuert wird ( wie ich sie bei RTF/ Marathons u.ä. noch nicht gesehen habe...). Diese letzten 4,8 km zeichnen sich à la Tour de France durch viele Zuschauer, gleissende Sonne, Wasserbecher reichende Helfer und am Ende ihrer Kräfte fahrende Teilnehmer aus. Auf dem Zielplateau mit Skiliften dann Zeitnahme, Urkundenausgabe, Essen usw.. In diesem Endstadium riss mich mein bereits seit 40 min angekommener Bruder dann aus meiner vagen Hoffnung – daß ich Ihn vielleicht in der Masse doch überholt haben könnte.

Trotz einigen Kampfes bei mir aber ein landschaftlich sehr schönes Erlebnis von m.E. hoher sportlicher Herausforderung. Die Belohnung für die Mühen lag in zwei “Gold” Auszeichnungen für die Gebrüder Stempel (Anforderung Gold in M20 (Matthias): 9.00 h; IST: 7.38 h ; Anforderung in M40 (Michael) : 9.40 h; IST : 8.19 h) .

In Plätzen war das bei Matthias 225 und bei mir Platz 530 von 1600 Startern auf der langen 205 km Strecke. Zur Einschätzung des Niveaus hier der Hinweis, daß der 5. Platzierte Bernd Hornetz beim Ötzi letztes Jahr auch den 5. Platz inne hatte.

Fazit: Auch wenn die Anfahrt in die Süd-Vogesen manchem Tübinger etwas weit erscheinen mag – sind die meisten bekannten Alpenmarathons auch nicht schneller erreichbar und auch nicht anspruchsvoller (Ausnahme: Ötzi + Alpen Brevet) ...