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RV Pfeil-Mitglied (und Tourenführer) Steffen Warias wurde bei der Meisterschaft im Para-Cycling am 4. und 5. Juli 2009 in Elzach Deutscher Vizemeister.

Super, Steffen, der gesamte RV Pfeil gratuliert dir zu diesem tollen Erfolg!

Bericht von der Deutsche Meisterschaft Paracycling 2009 in Elzach

(von Steffen Warias)
 

Bei der Deutschen Meisterschaft im Para-Cycling in Elzach starte ich am 4. und 5. Juli. Es war für mich die erste Veranstaltung im Paracyclingsport, bei der ich teilgenommen habe. Schon vor einigen Jahren sprach mich ein Fahrer aus der deutschen Behindertensport-Nationalmannschaft an, ob ich nicht auch Lust hätte im Paracyclingsport mitzumachen. Ich hatte diesen Gedanken einige Zeit im Hinterkopf und realisierte ihn dieses Jahr.

Als ich die Ausschreibung im Internet gelesen habe, entschloss ich mich anzumelden. Zuvor bin ich noch Mitglied in einem Verein geworden, der im Deutschen Behindertensportverband Mitglied ist, an dieser Stelle Danke an den SSC Stuttgart.
Auf dem Programm standen am Samstag ein Einzelzeitfahren über 11 km und 360 hm, was mir als eher besserer Bergfahrer ja eigentlich mehr entgegenkommt. Dann am Sonntag das Straßenrennen über 35 Runden à 1,7 km sprich ca. 60 km.

Zuerst erfolgte am Samstag die Klassifizierung ich wurde in die Klasse LC 1 einklassifiziert.
 

Beim Einzelzeitfahrern starten Fahrer verschiedener Klassen, je nach Klasse wird die Zeit mit einem Faktor multipliziert und danach die Zeit errechnet, d. h. Fahrer mit weniger schwerem Handicap müssen schneller fahren, um vorne zu sein, als Fahrer mit einem größeren Handicap.
Die Strecke glich eher einem Bergzeitfahren, da es vom Start weg nur hoch ging. Die Strecke führte von Elzach im Schwarzwald hinauf zur Biederbacher Höhe.
Zuerst starteten die Dreiräder und Handbiker. Dann gegen 15 Uhr in der prallen Mittagshitze starteten die Tandems und danach ich. Alle anderen auf einem Solorad starteten im Minutentakt nach mir. Ich dachte, ja Kasse, gleich beim ersten Rennen der Gejagte! Da man gegen die Tandems eh keine Chance hat, und direkt hinter mir startete Walter Marquardt ehemaliger LC 1 Weltmeister. Na, es gab eh nur eins, runter von der Startrampe und Vollgas den Berg hinauf. Ich gab alles und konnte in einer Zeit von knapp unter 24 Minuten die Strecke bewältigen.

In der Endabrechnung lag ich somit auf dem 6. Rang.  Gewonnen hat der mehrmalige Paralympics Sieger Michael Teuber. Abends nach dem Rennen schauten mein Bruder und ich uns noch die Siegerehrung an, und auf der Heimfahrt dachte ich dann, ja eigentlich ganz gut für das erste Rennen, zumindest haben sie mich nicht in Grund und Boden gefahren, und ich konnte einigermaßen mithalten; das gab mir Mut für den nächsten Tag.
Am Sonntag stand dann das Straßenrennen an, der Kurs war sehr winkelig und mit einigen scharfen Rechts-Links Kombinationen versehen. Zuerst starteten die Tandems, 20 Sekunden danach meine Klasse und weitere 20 Sekunden später die nächste Klasse.

Vom Start weg wurde sehr schnell gefahren, aber ich konnte gut mithalten und ging am Anfang auch sehr oft durch die Führung, vielleicht zu oft, im Windschatten ist es halt schon deutlich einfacher, und nach jeder Kurve wurde natürlich voll angetreten. Unglaublich wie die Jungs fahren; vor allem vor denen mit einem größeren Handicap, wie nur einem Bein oder Prothesen, habe ich allerhöchsten Respekt, wie die um die Kurven pfeifen.
Zurück zum Rennen, die ersten 10 von 35 Runden wechselten wir uns gut ab, und die Gruppe fuhr sehr schnell. Dann, nach circa 15 Runden, wollten ein paar Fahrer immer wieder aus der Gruppe weg, jedoch wurden die Löcher immer schnell geschlossen. Dann gab es eine Tempoverzögerung, und keiner wollte richtig Tempo machen. Da war es auch schon passiert, ein paar Fahrer waren unaufmerksam und stürzten. Oh nein!  Aber ich bin zum Glück nicht gestützt und konnte weiterfahren.

Ein paar Runden später versuchte Walter Marquardt mit aller Macht wegzufahren; ich war weit hinten in der Gruppe und konnte nicht schnell genug reagieren, und da war er schon weg. Ich versuchte noch allein, ihn wieder zu stellen, aber er war einfach zu schnell. Ich ließ mich wieder von der Gruppe mit nun ca. 10 Fahrern einholen, vielleicht schaffen wir es ja zusammen. Aber dann passierte wieder ein Sturz; das führende Tandem hatte uns gerade überholt und fuhr mit quietschenden Bremsen in eine 90 Grad Linkskurve (wie ich später gehört habe, hatten sie genau in dem Moment einen Platten) und stürzten. Einige aus der Gruppe konnten nicht mehr ausweichen und stürzten ebenfalls. Ich jedoch konnte gerade so ausweichen und konnte die Fahrt fortsetzen. An meinem Hinterrad war noch ein Fahrer, Pierre Senska, Weltmeister in der Nachwuchsklasse. Die letzten 10 Runden wurden somit fast zu einem Einzelzeitfahren für mich. Pierre war schon sehr platt und konnte leider wenig Führungsarbeit leisten. Er startete in einer anderen Klasse, und somit war für mich klar okay, ich zieh für mich durch. Das war die Chance, ich setzte alles auf eine Karte und versuchte durchzukommen. Der Puls war nur noch am Anschlag. Doch die Anfeuerungen der Zuschauer sowie meines Bruders und meiner Eltern gaben mir noch ein bisschen mehr Kraft.
Die letzten Runden zogen sich dahin, die anderen Fahrer konnten jedoch nicht mehr aufschließen, und so wurde ich glücklicherweise Zweiter. Ich konnte es kaum fassen. Gleich beim ersten Straßenrennen Deutscher Vizemeister !

 

Als bei der Siegerehrung dann die deutsche Nationalhymne gespielt wurde war ich überglücklich und froh, dass sich jeder Meter Training ausgezahlt hatte.
Bedanken möchte ich mich bei meiner Familie für die Unterstützung und vor allem bei meinem Bruder Martin, dass er mich an dem Rennwochenende begleitet hat.



Auf der nächsten Seite geht es weiter zum Artikel aus dem Schwäbischen Tagblatt vom 8. Juli 2009.

 

Auf Anhieb Vizemeister

Radsport: Der Tübinger Paracycler Steffen Warias holte Silber bei der DM

Was für ein Debüt bei den Deutschen Meisterschaften der Paracycler vergangenes Wochenende im badischen Elzach: Steffen Warias vom RV Pfeil Tübingen holte im Straßenrennen den Vizetitel.


 

Deutscher Straßen-Vizemeister der Paracycler: Steffen Warias vom RV Pfeil Tübingen hier auf dem Weg auf einen Alpenpass. Bild: RV Pfeil

Elzach. Es war irgendwann vergangenen Winter als Steffen Warias sich entschloss, bei den Deutschen Meisterschaften mitzufahren. Zuvor saß er zwar regelmäßig im Sattel seines Rennrads, der Gedanke, ein richtiges Rennen mitzufahren, der seit einiger Zeit in seinem Kopf herumspukte, war allerdings nie konkret geworden. Bis zum Winter. Dann meldete sich der 24-Jährige für die Deutschen Meisterschaften an – und landete nun promt auf Platz zwei im Straßenrennen und auf Platz sechs beim Einzelzeitfahren. „Das war ein tolles Gefühl“, sagt der frischgebackene Vizemeister.

Warias fuhr in Elzach in der Kategorie LC 1, der Klasse für geringste Handicaps. Von Geburt an hatte der Tübinger Klumpfüße und wurde bereits als Kind mehrfach an den Achillessehnen operiert. Daher ist seine Unterschenkel-Muskulatur nur sehr schwach ausgebildet. „Das ist schon ein Handicap – vor allem in der Ebene“, sagt Warias, „aber insgesamt funktioniert’s ganz gut.“

Das beweist nicht zuletzt das Ergebnis des Straßenrennens am Wochenende über 35 Runden à 1,7 Kilometer. Etwas Glück hatte Warias, der zur Zeit als Trainee bei einem Pharmaunternehmen in Basel arbeitet, freilich auch: Auf dem winkeligen Kurs kam es zu mehreren Stürzen, von denen der Neuling letztlich profitierte.

Vom Start weg fuhr das Feld auf dem Rundkurs ein hohes Tempo. Nach gut 15 Runden drosselten einige Fahrer die Geschwindigkeit. Daraus resultierte der erste Sturz, in den gleich mehrere Fahrer verwickelt waren. Warias blieb verschont und gehörte nun zur Spitzengruppe, in der sich einige Runden später erneut ein Sturz ereignete. Wieder konnte Warias ausweichen und fand sich anschließend in einer Zweiergruppe mit Nachwuchsklasse-Weltmeister Pierre Senska wieder. Die beiden jagten nun dem mittlerweile ausgerissenen späteren Sieger Walter Marquardt hinterher. Allerdings war Senska bereits am Ende seiner Kräfte und Warias sah seine Chance: „Ich habe alles auf eine Karte gesetzt. Der Puls war nur noch am Anschlag. Aber die Anfeuerungen der Zuschauer haben mir noch ein bisschen mehr Kraft gegeben.“ Am Ende durften ihm seine Eltern und sein Bruder, die Warias vor Ort unterstützten, zum Vizetitel gratulieren.

Am Tag zuvor war der Tübinger beim Einzelzeitfahren auf Platz sechs geradelt. „Auf der Heimfahrt dachte ich dann: Zumindest haben sie mich nicht in Grund und Boden gefahren und ich konnte einigermaßen mithalten.“ Da ahnte Warias noch nicht, was ihn am nächsten Tag erwarten würde. Nach seinem zweiten Platz im Straßenrennen wurde bei der Siegerehrung die deutsche Nationalhymne gespielt. Warias: „Da war ich überglücklich.“

Wie es nun nach den ersten Erfolgen seiner Karriere weiter gehen soll, weiß Warias noch nicht so genau. „Auf jeden Fall möchte ich weiter im Paracycling-Sport aktiv sein“, sagt er. Ein Ziel, erzählt er, wäre der Europacup. Doch dazu müsste ihn der Bundestrainer nominieren. Immerhin, auf Adalbert Kromers Notizzettel dürfte Warias nun stehen. Schließlich ließ es sich der Nationaltrainer nicht nehmen, dem Vizemeister persönlich zu gratulieren.


Text: Vincent Meissner