WappenRVPfeilKlein


Berninapass (20.06.2009, 01:32) http://www.quaeldich.de/paesse/berninapass/
Auf dem etwas holprigen Flachstück bis Tirano ist die beste Linie im Dunkeln nicht so gut zu treffen, aber es geht. Dann geht es hinein in den langen Anstieg zum Berninapass, bei dem man mehrfach die Gleise der Rhätischen Bahn überqueren muss. Eine rote Baustellenampel nutze ich um kurz etwas zu essen und mache im unteren Teil noch eine Verpflegungspause.
In Poschiavo sind die Bahngleise dann direkt auf der rechten Straßenseite, da kein Gegenverkehr zu sehen ist bleibe ich also auf der linken Seite. Aber dann kommt doch ein Auto entgegen, ich bremse ab, fahre nach rechts zwischen die Schienen und liege auch schon auf der Straße. Da die Rhätische Bahn eine Schmalspurbahn ist konnte das bei der Nässe eigentlich auch kaum gutgehen, da ich mit dem Hinterrad mit recht spitzem Winkel über die Schiene fahren musste um mit dem Vorderrad zwischen den beiden Schienen zu bleiben.
Ich hätte einfach in der Fahrbahnmitte bleiben sollen oder wenn schon dann über beide Schienen drüberfahren. Meine Begleitfahrer Andreas und Steffen eilen sofort zu Hilfe, aber ich bin schon wieder aufgestanden, am Rennrad und an der Kleidung ist nichts zu sehen und auch mir ist außer einem blauen Fleck zum Glück nichts passiert.
Ich fahre gleich weiter auf dem längsten Anstieg der Tour, es ist immer wieder mal vom Gewitter über den Bergen zu sehen und zu hören, aber es ist nicht in unmittelbarer Nähe, ich spüre nur den Regen und den kalten Gegenwind. Bei diesem mir unbekannten Anstieg habe im dunkeln keinerlei Orientierungspunkt, erst als der Wegweiser mit dem Abzweig nach Livigno erscheint weiß ich, dass ich bald oben sein werde.
Kurz nach der Passhöhe fällt die Pause recht lange aus und es treffen noch weitere RATA-Teilnehmer dort ein.
Ich wechsle die Schuhe und Socken sowie das Unterhemd und das Trikot. Die neuen Überschuhe kommen jetzt zum Einsatz sowie die Winterhandschuhe, ein Buff und eine festere Regenjacke. Dazu leistet mir noch meine lange Regenhose, die ich vor vielen Jahren fürs Bergsteigen gekauft hatte, gute Dienste, ich fahre praktisch im Trockenen hinab, richtig in die Pedale treten kann ich damit allerdings nicht und deshalb werde ich sie vor dem nächsten Anstieg wieder ausziehen.
Oben ist noch ein lästiger Seitenwind, der aber weiter unten nachlässt.

Albula (04:14) http://www.quaeldich.de/paesse/albulapass/
Den Albula habe ich in sehr guter Erinnerung. Bei meiner ersten Befahrung 1999 schien dort einen Tag nach Dauerregen am Stilfser Joch die Sonne und auch bei meinen zwei weiteren Passfahrten hatte ich Traumwetter. Diesmal ist es aber dunkel, nass und kalt.
Bergauf habe ich keine Probleme damit, bergab gehts wieder mit langer Regenhose und dickerer Jacke. Aufgrund des schlechteren Straßenzustands muss etwas mehr aufgepasst werden und das gilt besonders an einer geschotterten Baustelle.
Bei Filisur wurde vor Felsbrocken auf der Straße gewarnt, es liegen jedoch nur ein paar kleine Steine herum.
Beim Anstieg nach Schmitten wird es schon wieder hell.

 


Nach der Abfahrt vom Albula
Einfahrt in den Flüela
Oben auf dem Flüela
Abfahrt vom Flüela


Flüela (07:25) http://www.quaeldich.de/paesse/flueelapass/
Die restliche Strecke bis Davos ist relativ flach und es regnet kaum noch.
Beim nicht übermäßig langen Anstieg zum Flüelapass zeigt sich mit Wind und leichtem Regen wieder das übliche Bild, oben geht der Regen dann in leichten Schneefall über, aber auf der Straße bleibt nichts liegen.
Nach einer Verpflegungspause im Hospiz steht die nächste Abfahrt an, jetzt endlich wieder bei guter Sicht.
Nach wenigen Kilometern hört der Regen auf und die Sonne kommt zum Vorschein.
Übrigens, das ganze wird ja auch noch als Rennen gefahren, also ich bin momentan auf Platz 10, unmittelbar vor mir ist Guidio Settimo, der sich bei meiner Ankunft auf der Passhöhe gerade in die Abfahrt gestürzt hat und den ich noch mehrfach sehen werde.
(Außer am Stilfser Joch und am Mortirolo hatte ich aber während des Rennes nirgends eine gesicherte Information über meine Platzierung)

Ofenpass (09:32) http://www.quaeldich.de/paesse/ofenpass/

Sonnenschein, da kommt bei Andreas Freude auf
und auch Steffen gefällts wieder deutlich besser


Es ist zwar noch immer sehr frisch aber die Sonne scheint und von den Bergen ist auch wieder einiges zu sehen, da macht das Fahren gleich wieder deutlich mehr Spaß. Ganz so schnell wie am Anfang bin ich wohl nicht mehr aber ich fahre den Ofenpass sehr flüssig hoch. Nach der Hälfte des Anstiegs gibt es bei Ova Spin ein Zwischenabfahrt mit 170 Hm, dann geht es von Punt la Drossa nochmal 450 Hm hinauf. Vor dem wieder etwas steileren Schlussstück überhole ich Jochen Lehmann, der fast zu stehen scheint und der das Rennen wenig später aufgeben wird. Guidio ist diesmal nur ganz kurz vor mir oben angekommen.
Für die Abfahrt nach Sta. Maria reicht mir jetzt wieder die leichte Jacke.

Umbrailpass (11:16)
http://www.quaeldich.de/paesse/umbrailpass/

Im unteren Teil des Umbrail
Im oberen Teil des Umbrail


Das steilste Stück im unteren Teil komme ich auch dank SMS-Zusatzmotivation sehr gut hinauf und dann geht es ca. 2,5 km über das bekannte Schotterstück.
Etwas weiter oben spüre ich zum ersten mal schwere Beine und es geht zwar stetig aber doch sehr mühsam hinauf.

Stelvio (11:40) http://www.quaeldich.de/paesse/stilfser-joch/
Das Stilfser Joch ist vom Umbrailpass aus eigentlich nur ein Katzensprung, aber mit 12000 Hm in den Beinen sind es für mich die anstrengendsten Höhenmetern der Tour, aber Zweifel daran, mein Ziel von unter 30 Stunden zu erreichen habe ich natürlich nicht mehr. Um die Abfahrt voll konzentriert anzugehen und auch noch etwas Energie für den letzten Anstieg zum Reschenpass zu haben gibt es oben nochmal eine etwas längere Verpflegungspause.
Bei der Abfahrt ist es trocken, die Sonne scheint und ich genieße die Aussicht auf die Eisgipfel der Ortlergruppe.
Aufpassen heißt es aber auch bei der Abfahrt, einmal wegen einer Kuhherde auf der Fahrbahn, aber vor allem und länger anhaltend wegen den vielen Radfahrern die hier hinauffahren. Und einige von diesen Radfahrern machen wohl einen weit erschöpfteren Eindruck als ich. Auf der Abfahrt hat mich Guidio wieder überholt und biegt ein paar Minuten vor mir in den letzten Anstieg ein.

Reschen (14:23) http://www.quaeldich.de/paesse/reschenpass/
Der Reschenpass ist abgesehen vom Aprica für Radfahrer der mit Abstand unbedeutenste Pass der Runde, er kann weder mit einer schönen Strecke, vielen Höhenmetern oder hohen Steigungsprozenten aufwarten.
Diesmal ist er aber für alle RATA-Teilnehmer mit einer größeren Anstrengung verbunden, denn es weht ein sehr kräftiger Gegenwind.
Die ersten Kilometer sind meist flach und ich lasse mir nochmal eine volle Flasche und etwas Traubenzucker geben bevor die Strecke moderat ansteigt.
Meine Beine sind wieder gut und so überhole ich Guidio bald wieder.
Vorm Haidersee wird es flach und dann steigt es nur noch kurz bei St. Valentin an bis der Reschensee erreicht ist.
Trotz Gegenwind fahre ich dann meist mit Tempo über 30 am See entlang und vom Reschensee nach Nauders fährt dann noch ein offizielles RATA-Fahrzeug vor mir.
Wie schon in den letzten Stunden von Paris-Brest-Paris spüre ich auch hier auf den letzten Kilometern praktisch nichts von den vielen Kilometern, die ich schon in den Beinen habe.

Auf den letzten Kilometern, Nauders ist schon zu sehen
Zieleinfahrt Nauders, rechts Organisator Gernot Weinig


ZIEL Nauders (14:34)
Um 14:34 Uhr biege ich von der Hauptstraße ab und bin nach wenigen Metern im Ziel, ich habe es geschafft !!
Nach 26 Stunden und 34 Minuten, 525 km und 13000 Hm Anstieg bin ich als schnellster Deutscher und insgesamt auf Platz 8 beim RATA 2009 angekommen. Ich freue mich dass alles gut geklappt hat.

Beim Zielinterview
Blick von oben bei der Siegerehrung


Ich mache beim Zielinterview noch einen frischen Eindruck und löse auch einiges Erstaunen aus, z.B. damit dass man auch bei solch einer Tour Spass haben kann. Ich stosse mit meinen Begleitern Andreas und Steffen auf den Erfolg an und da ich als erster Deutscher im Ziel bin wird für mich noch die Nationalhymne gespielt.
Dann holen wir die Startunterlagen für den morgigen Dreiländergiro und ruhen uns etwas aus im Hotel.
Nach 18 Uhr ist dann Siegerehrung im Festzelt, und es treffen davor noch mehrere RATA-Teilnehmer ein, die unter großem Applaus direkt zur Bühne durchgehen dürfen und teilweise einen sehr erschöpften Eindruck machen.
Aber alle die das RATA durchgefahren sind haben ein große Leistung vollbracht, egal ob sie dafür 22 oder 32 Stunden gebraucht haben.
Vielen Dank für den Gruß vom RV Pfeil während der Siegerehrung und die Glückwünsche hinterher per Karte, Mail oder persöhnlich, es hat mich gefreut.
Ergebnisliste Race across the Alps 2009

Nachschlag Dreiländergiro
Schon am Tag nach dem RATA sitze ich schon wieder auf dem Rennrad, diesmal sind es beim Dreiländergiro "nur" 170 km und 3500 Hm (einige Zusatz-Hm wegen Umleitung). Bis Prad gibt es keine übermäßigen Schwierigkeiten und dann geht es für mich bereits den dritten Tag hinereinander zum Stilfser Joch hinauf.
Vom RATA spüre ich nicht mehr viel und so bin ich trotz lockerem Fahren kräftig am Überholen (auch weil ich hinten im Feld bin) und fahre den Anstieg in 2:05 h hoch. Es ist oben kalt und nach der Abfahrt nach Sta. Maria macht auch der Ofenpass keine Probleme.
Auf der Abfahrt regnet es leider vor Zernez kurz aber kräftig. Von Zernez sollte man eine gute Gruppe erwischen um schnell und kräfteschonend das Unterengadin hinunterzufahren, vor allem bei dem heutigen Gegenwind.
Da mir die erste Gruppe viel zu unruhig fährt beschliesse ich aber doch alleine zu fahren mit etwas mehr Kraftaufwand, dafür aber ganz entspannt ohne immer auf das Hinterrad des Vordermanns achten zu müssen und auch einfach mal zum Fotografieren anhalten zu können. Beim Anstieg zur Norbertshöhe gebe ich aber nochmal etwas Gas und bin dann unter 8 Stunden im Ziel.
Steffen ist bereits eine Weile im Ziel und nachdem auch Andreas eingetroffen ist, die Punkte auf unseren RTF-Wertungskarten eingetragen sind und wir noch etwas gegessen haben geht es auf die Heimreise nach Tübingen.
Und schon in der nächsten Woche konnte das erste Halbjahr 2009 mit meiner ersten Teilnahme beim Alb-Extrem (mit dem Trekkingrad 260-km Strecke mit 28er Schnitt) erfolgreich abgeschlossen werden.
Der Start beim Dreiländergiro nach dem RATA war übrigens von Anfang an geplant, und aufgrund meiner sehr schnellen Regeneration nach den bisherigen Langstrecken war ich mir ziemlich sicher am Sonntag wieder ausreichend erholt zu sein, auch wenn ich natürlich nicht wissen konnte wie es mir nach dem RATA tatsächlich geht.

Fazit zum Race Across the Alps
Hat es sich "gelohnt", die Teilnahme am Race across the Alps, wie sportlich ist der Wettbewerb ?
Trotz Materialaufwand auf absolutem Minimalstandard kam an Kosten ein vierstelliger Betrag zusammen, alleine schon das Startgeld beträgt 400 Euro (200 Euro davon konnte durch mein Preisgeld gedeckt werden). Allenfalls bei den Unterkunftskosten hätte noch gespart werden können, aber ein bisschen was sollte man sich schon gönnen.
Keineswegs minimal war der Aufwand beim Training, aber ich bin keine eintönige Strecken gefahren nur um Trainingskilometer zu sammeln, sondern hier war der Weg schon ein Teil des Ziels und das "Training" hat mir viel Freude gemacht.
Dopingkontrollen gibt es beim RATA wie bei praktisch allen ähnlichen Veranstaltungen keine (wohl allein schon aus Budgetgründen), aber der Wert einer negativen Dopingprobe ist doch sehr begrenzt, da viele Profisportler trotz jahrelangem nachgewiesenen bzw. zugegebenem Doping bei zig Kontrollen nicht aufgefallen sind.
Auch was sonst unterwegs eventuell noch abläuft ist kaum zu kontrollieren. In der Anfangszeit des RATA hatte jeder Teilnehmer noch einen Aufpasser zu stellen, der bei einem anderen Teilnehmer im Begleitfahrzeug mitfährt. Aber das bedeutet natürlich auch mehr Aufwand und um diese Aufgabe würde ich niemand beneiden.
Verdachtsmomente gegen Spitzenfahrer bei solchen Veranstaltungen gibt es immer wieder und beim Sieger gehe ich davon aus, dass er als ehemaliger Radprofi über Möglichkeiten der verbotenen Leistungssteigerung mit Doping und sonstige Tricks zumindest Bescheid weiß.
Aber abgesehen davon, dass die laut Ausschreibung ständige Helmpflicht von einigen leider nicht eingehalten wurde (bei mehreren direkt vor und hinter mir platzierten nachweislich) und vielleicht auch einige rote Ampeln überfahren wurden gehe ich davon aus, dass die meisten Fahrer fair unterwegs waren.

Ich habe jetzt die Gewissheit, dass man das RATA ohne Doping, sportlich fair und ohne übertriebenen Materialaufwand in einer guten Zeit schaffen kann.
Man braucht dazu keine Dura-Ace (auf meinem Cube Litening HPC fährt sichs auch mit Ultegra hervorragend, vielen Dank an Klaus Greif von Rad&Tat) und auch keine Gels, Red Bull oder sonstige Spezialnahrung.
Potential zu einer noch schnelleren Zeit ist bei mir vor allem bei den Abfahrten (sehr groß) vorhanden, aber auch durch bessere Ausrüstung, bei den Pausen, mit etwas mehr Regeneration vor dem Rennen und weiteren Kleinigkeiten wie z.B. trockene Straßen. Aber von der Platzierung kam mir das Wetter sicher entgegen, da ich abgesehen von Schnee- und Eisglätte auch sonst bei jedem Wetter unterwegs bin.
Es war für mich ein großes Erlebnis, ich bin ein paar neue große Anstiege in den Alpen gefahren, ich hatte vor allem trotz bescheidenem Wetter über größere Strecken Freude am Radfahren und die Erfahrung gemacht, dass ich noch keineswegs an meiner Grenze angelangt bin. JA, es hat sich gelohnt !

Wie geht es weiter
Für 2009 sind noch einige Radtouren wie Teilnahmen an RTFs und Radmarathons geplant aber aus Zeitgründen keine "Extremtour" mehr.
Wenn mir das Radfahren noch Spaß macht und die körperliche Fitness stimmt werde ich auch in den nächsten Jahren größere sportliche Herausforderungen angehen, egal ob das bei einer offiziellen Veranstaltung oder einer Privattour geschieht.
Das schon von ein paar Vereinskollegen und Mitfahrern genannte RAAM wäre nochmal von einem ganz anderen Kaliber, vor allem was den organisatorischen und finanziellen Aufwand betrifft (mal abgesehen von der notwendigen sportlichen Qualifikation), aber wie heißt es so schön: Sag niemals nie.

Noch ein Tipp an alle Radsportfreunde:
Es spricht überhaupt nichts dagegen, mal richtig schnell zu fahren oder an seine (vermeintliche) Leistungsgrenze zu gehen. Aber vor allem soll das Radfahren doch Spaß machen, schliesslich ist es für fast alle nur eine Freizeitbeschäftigung.
Und damit es Spaß macht sollte man ausreichend trainiert sein bzw. die Touren und Fahrweise an den Trainingszustand anpassen und auch interessante und abwechslungsreiche Strecken fahren.
Und falls ihr als Rennradfahrer bei einem Radmarathon oder RTF mal am Berg von einem schnellen Trekkingradfahrer überholt werdet:
Macht euch nichts draus, gegenüber dem deutlichen Materialnachteil in der Ebene sind ein paar Kilo Mehrgewicht am Berg fast zu vernachlässigen.