WappenRVPfeilKlein


Text: Martin Huber

Ich habe einen Traum....

14 Pfeiler wollten sich den Traum des Ötztaler Radmarathon erfüllen und 
sind am letzen August Wochenende nach Sölden gefahren.
Neben den 14 Fahrern vom RV Pfeil Tübingen wollten sich noch 4500
andere Fahrer diesen Traum erfüllen.
Der Traum besteht aus einer Strecke von 238 km, 4 Alpenpässen
und 5500 Höhenmetern.

Vorbereitung
Die meisten Pfeiler haben die Alpentour in Frankreich im August als Vorbereitung auf den Ötztaler Radmarathon genutzt. Ich wurde von meiner Frau trotz Nachwuchs für Frankreich freigestellt und hatte daher schon einige Pässe in den Beinen. Zusätzlich bin ich Ende Juni den Alb Extrem mit 260 km und 4000 Höhenmetern gefahren. Trotz meiner Sprinterfigur habe ich mir eine Zeit von unter 10 Stunden vorgenommen. Bis auf das Timmelsjoch bin ich noch keinen der Pässe gefahren und kann daher nur über die Höhenmeterzahl und Steigungsprozente auf die Anstiege schließen.

Prolog
Zusammen mit Steffen Warias, Stefan Siebertz fahre ich am Samstag nach Sölden. Wir übernachten im Hotel Waldcafe, das uns von unserer letzt jährigen Alpentour schon bekannt ist. Karen Petersen, Klaus Greif sind schon am Donnerstag angereist und haben die Pässe schon mal in Augenschein genommen. Reiner Hähnle ist schon früh am Samstag angereist und spult noch ein paar Trainingskilometer ab. Er nutzt dazu die wenig befahrene Straße direkt hinter dem Hotel (Gletscherstraße oder so ähnlich, es fiel auch mal das Wort Rettenbachferner;-)).
Unsere „Hamburger“ sind mit dem Flieger angereist und auch schon im Hotel. Es fehlt nur noch Armin, der, wie könnte es anders sein, noch auf dem Rad sitzt. Er ist schon am Freitag nach Österreich, zum Hüttenjubiläum der Tübinger Hütte gereist (schlappe 250 km; natürlich mit dem Trekkingrad). Am Samstag sind es dann nur noch 150 km bis Sölden.
Noch am Start sind Andreas Schiller, Georg Fenzke, Michael Stempel, Miriam Preyer, Uwe Vorbeck und Andreas Koch

Nach dem Abendessen holen wir uns noch die Startnummer und präparieren unsere Fahrräder für den morgigen Tag. Andreas Schiller bleibt als einziger im Hotel und „chillt“ dort ein bisschen.
Es besteht Uneinigkeit darüber, wann wir uns zum Start begeben wollen. Die ambitionierten Fahrer wollen schon vor 6 Uhr am Start sein, um möglichst vorne im Feld dabei zu sein. Die anderen wollen erst um 6:15 Uhr los um nicht so lang in der Kälte zu stehen. Zumindest die Frühstückszeit steht fest: 5:30 Uhr.

Vor dem Rennen
Als Armin und ich um 5:30 Uhr zum Frühstück kommen haben schon alle gefrühstückt. Der Speisesaal ist wie leer gefegt. Wir lassen uns aber davon nicht aus der Ruhe bringen und genießen unser Frühstück. Steffen, Stefan und Reiner sind schon vor 6 Uhr weg. Ich folge dann 6:10 Uhr und kurz nach mir kommen die anderen.
Am Start ist schon eine riesige Schlage vor mir und die Zahl der Fahrer, die sich noch hinter mir aufreiht, scheint kein Ende zu nehmen. Trotz lauter Musik aus den Boxen will bei 8°C keine rechte Stimmung aufkommen. Irgend wann fällt dann aber doch der Startschuss und der Startblock 1, mit den ersten 100 Fahrern setzt sich in Bewegung. 5 Minuten später bin auch ich an der Reihe. Das Abenteuer Ötztaler hat also begonnen.

Sölden- Ötz
Das erste Stück ist eine 32 km lange „Abfahrt“ auf der es mehr oder weniger immer abwährt geht. Meine Befürchtung, dass sich hier viele eine gute Ausgangsposition für den Anstieg am Kühtai sichern wollen trifft ein. Ich werde links und rechts überholt und ich frage mich wie lange es dauert, bis es zu einem Sturz kommt. Nach km 12 ist es auch schon passiert. Hinter einem Tunnel hat es 4 Fahrer und eine Fahrerin erwischt. Es liegt Blut auf der Straße und für zumindest zwei Fahrer scheint der Traum zu Ende zu sein. Nach diesem Vorfall geht es im Feld ein bisschen gesitteter zu. Mit einem 50er Schnitt erreichen wir Ötz.

Kühtai
Es liegen 18,5 km und 1200 Hm vor mir. Da es Rampen bis 18% gibt und mir eigentlich die flacheren Anstiege liegen, lasse ich es ruhig angehen. Ich versuche so gut es geht im Pulk mitzuschwimmen. Gleich nach dem Ort steigt die Straße steil Richtung Kühtai an. Bei noch moderaten Temperaturen geht es dann im Wald nach oben. Nach 2 Stunden bin ich am Kühtai oben und begebe mich zur ersten Verpflegungsstation. Es ist gar nicht so einfach an die Getränke und das Essen zu kommen, da viele Fahrer meinen mit dem Rad an die Stände gehen zu müssen. Die Auswahl ist reichlich, aber ich begnüge mich damit meine Flaschen auf zu füllen und noch eine Banane einzuwerfen. Auf dem Rückweg zum Rad werde ich zweimal fast angefahren. Von den Pfeilern habe ich bisher nur Michael Stempel am Kühtai gesehen.
Ich stürze mich in die Abfahrt und habe nach kurzer Zeit eine Menge Leute wieder überholt, wobei mir meine gute Abfahrtstechnik und natürlich mein Gewicht von 80 kg zu gute kommen. Der Tacho erreicht im unteren Teil (16% Gefälle) schwindelerregende Wert (genaue Werte darf ich nicht nennen, da meine Frau den Bericht auch lesen wirdJ). Nach einer ¾ Stunde habe ich auch schon Insbruck erreicht.


Brenner
In Insbruck fahren wir an der Bergisel Schanze vorbei und die Straße steigt moderat Richtung Brenner an. Ich versuche eine gute Gruppe zu finden, bei der ich nicht zu viel Arbeit machen muss. Im ersten Teil wird ziemlich Druck gemacht und ich habe Mühe zu folgen. Erst als es flacher wird, wird das Tempo gedrosselt, weil wohl niemand mehr Lust hat Führungsarbeit zu leisten.
Noch schlechter geht es Klaus, Karen und Armin. In deren Gruppe fahren „teure Carbon Renner“ mit, von denen aber keiner im Wind fahren will. Armin muss dann sogar teilweise mit dem Tourenrad Führungsarbeit verrichten, obwohl er im Windschatten schon voll fahren muss um den Rennrädern hinterher zu kommen.
11:06 erreiche in die Passhöhe am Brenner. Ab Insbruch haben wir einen Schnitt von über 27 km/h hingelegt. Ich bin gut im Plan und lasse mir bei der Verpflegung mehr Zeit. Auf der Abfahrt nach Sterzing schließe ich wieder auf die Gruppe von Michael Stepel auf. Von den anderen Pfeilern ist immer noch nichts zu sehen. Der richtig harte Teil der Tour steht uns ja noch bevor, der Jaufenpass und das Timelsjoch mit 2900 Hm.

Jaufenpass
Michael Stempel hat sich wohl einiges vorgenommen und gibt mächtig Gas. Da ich den Jaufenpass noch nie gefahren bin, lasse ich es ruhiger angehen und versuche mein Tempo zu fahren. Die Straße schlängelt sich im Wald empor. Die Temperaturen sind immer noch angenehm. Etwa auf halber Höhe sehe ich Michael eine Kehr vor mir wieder. Durch etwas zügigere Fahrt schaffe ich es wieder aufzuschließen. Die oberen 250 Hm sind unbewaldetes Gebiet und die Passhöhe ist schon zu sehen. Ich erreiche schließlich die Passhöhe kurz vor 13 Uhr. Es ist windig und nachdem ich meine Flaschen gefüllt habe geht es in die Abfahrt nach St. Leonhard. Auf der Abfahrt springt mir die Trinkflasche nach einer Bodenwelle aus der Halterung und ich schaffe es gerade noch sie zwischen Wade und Rahmen einzuklemmen. Nicht auszudenken, wenn sie einem folgenden Fahrer vor die Füße geknallt wäre.
Um 13:32 überfahre ich die Zeitnahme in St. Leonhard. Nun beginnt der Schlussanstieg.

Timmelsjoch
Das Thermometer am Tacho zeigt in St. Leonhard 30°C an. Es ist plötzlich unglaublich heiß (oder kommt mir das nur so vor?). Die ersten Kilometer lassen sich noch gut an. Im ersten steileren Teil des Anstiegs erwischt es mich dann. Die Beine sind plötzlich schwer wie Blei und die Hitze kommt mir unerträglich vor. Selbst eine Wasserdusche bringt nur kurze Erholung. Der Gedanke an eine kurze Pause kreist durch meinen Kopf. Es wird jetzt ein Kampf von Serpentine zu Serpentine.
Plötzlich taucht ein grünes Pfeil Trikot vor mir auf. Die Motivation steigt noch mal gewaltig an. Tatsächlich habe ich Reiner eingeholt, der von Krämpfen geplagt, eine kurze Pause einlegen musste. Ich hatte ihm am Vortag noch angedroht mit einem „breiten Grinsen“ an ihm vorbei zu fahren, falls ich ihn am Timmelsjoch überholen sollte. Zum Grinsen ist mir aber nicht mehr zu Mute. Ein paar Meter fahren wir gemeinsam weiter ehe Reiner zurückbleibt.
Als ich die Verpflegung erreiche bin ich immer noch auf 10 Stunden Kurs, aber das Zeitpolster ist merklich abgeschmolzen.

Als ich losfahre, fährt Stefan Siebertz an mir vorbei. Wir waren wohl gemeinsam an der Verpflegung, ohne uns wahrzunehmen. Ich klemm mich an sein Hinterrad, wenn man das noch so nennen kann und wir nehmen die letzten Kilometer in Angriff. Im oberen Steilen Teil (bis 14%) muss ich reißen lassen und hoffe nicht zu viel auf Stefan zu verlieren, um ihn in der Abfahrt vielleicht wieder einzuholen. Ich erreiche um 16:06 das Timmelsjoch. Falls ich unter 10 Stunden bleiben will habe ich noch 40 Minuten Zeit für die Abfahrt + 150 Hm Gegenanstieg zur Mautstelle. Das muss einfach zu schaffen sein.
Die anderen haben es wohl auch eilig und es geht in die rasende Abfahrt. Ich versuche möglichst viel Schwung in den Gegenanstieg zu nehmen und erreiche am tiefsten Punkt wieder dreistellige Kilometerwerte. Am Anstieg zur Mautstelle riskiere ich den „doppelten Schenkelplatzer“ und drücke mit letzter Kraft den Anstieg durch. Die letzte Hürde ist genommen.


Sölden
Ich erreiche 16:39 Uhr das Ziel, ich habe es tatsächlich geschafft, unter 10 Stunden zu bleiben!
Stefan trudelt 5 Minuten später ein. Ich habe ihn auf der Abfahrt überholt, ihn aber in der Windjacke nicht erkannt. Weitere 7 Minuten später trifft Reiner ein und zur Überraschung aller treffen Karen und Klaus 5 Minuten nach Reiner ein. Sie haben ihre anvisierte Zeit um über eine Stunde unterboten! Pünktlich um 17 Uhr beginnt dann auch der angekündigte Regen und ich bin froh schon im Ziel zu sein. Wir flüchten aus dem Zielbereich in die Halle und nach einer kurzen Stärkung geht es zurück ins Hotel.
Armin wird mit einer Zeit von 10:46:03 Stunden gestoppt. Sein Kommentar dazu:
Ich finde meine Zeit von 10:46:03 mit dem Trekkingrad, nach 260 km am Freitag zur Tübinger Hütte (100-jähriges Hüttenjubiläum) mit
extremem Schlussanstieg und am Samstag 160 km nach Sölden, ganz ok. (Es lies sich leider keiner der beiden Termine verschieben)
Andreas Schiller schafft es in einer Zeit von 11:08:19 Stunden. Wenn man bedenkt, dass er erst vor zwei Jahren mit Rennrad fahren angefangen hat, eine sehr bemerkenswerte Leistung!

Fazit
Ein sehr schöner und gut organisierter Radmarathon bei dem es sich lohnt mal wieder zu kommen. Vielleicht nicht gleich nächstes JahrJ