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8. Etappe Alpentour 2008
Samstag, 16. August
Goult- Villedieu 121 km 2650 Hm
Text : Friedhelm Zeiß
Fotos: Armin Huber, Tobias Ziegler, Karen Petersen

Nach klösterlich ruhiger Nacht werden wir vom französischen Nationaltier geweckt, das bei uns in der Pfalz doch lieber am Grill genossen wird. Als Ausgleich gibt es ein sehr reichhaltiges Frühstücksbüffet.
Es ist das umfangreichste der Tour und bis auf die Leberwurst (Pfälzer!) komplett.
Wenn Karen etwas mehr Geduld hätte aufbringen können, dann wäre sogar ihr selbst gekochtes Ei nicht mehr ganz roh gewesen.

Obwohl wir schon um 7:30 Uhr beim Frühstück saßen, konnten wir doch erst gegen 9:15 Uhr aufbrechen, weil die Madame des Hauses erst gegen 9 Uhr die Rezeption öffnete und wir ja noch die Rechnung bezahlen mussten.

Aber dann geht es endlich los: Gleich aufwärts nach Rousillon.
Dort erklimmen wir einen Aussichtspunkt mit prächtigem Blick auf den Tageshöhepunkt: Den Mont Ventoux.
Man sieht sehr deutlich den breiten, kahlen Gipfel über den bewaldeten Unterbau herausragen.
Schon jetzt betrachten wir den Berg mit Respekt und Vorfreude auf den saftigen Anstieg.


Unten die Radfahrer, oben die Okerfelsen von Roussillon

Fast verkehrsfreie Straßen in der Provence


Aber jetzt erst mal abwärts nach Le Chateaux.
Dann in einer langen gleichmäßigen Steigung über einen Bergrücken zur „Gorges de la Nesque“, einer weiteren Schlucht (bis 300 m tief).

Wir fahren an den steilen Abhängen entlang bis zum höchsten Punkt. Dort ist die Verpflegungsstation.
Wir treffen dort auch die vereinigten Wohnmobile aller Länder mit unseren „Zweiradkollegen vom anderen Stern“.
Noch ein Guppenfoto am Aussichtspunkt, wieder mit Blick auf den „Ventoux“, und dann fast 20 km sanftes Abwärtsgleiten an den Hängen entlang der Schlucht bis nach „Villes sur Auzon“.
Am Treffpunkt müssen wir auf einige sehr lange warten, die an jedem Aussichtspunkt ein Foto machen mussten.

In schneller Gruppenfahrt nähern wir uns Bedoin, dem Ausgangspunkt für den Anstieg des Tages.
Armin als Zugmaschine macht soviel Dampf, dass er fast einen Hund überfährt, der hier gemütlich die Straße überquert.
Glücklicherweise können die „Nachfahrenden“ noch schnell genug auf die Vollbremsung reagieren und einen Auffahrunfall vermeiden.

Schon bevor Armin die Fahrt frei gibt, preschen die ersten los, um sich die Bergwertung zu holen.
Da auf über 20 Kilometern 1600 Höhenmeter zu überwinden sind, lasse ich es ruhig angehen, rechne meinen Steigungsschnitt (100 Hm in 10 Minuten) hoch und erwarte mich in 2,5 Stunden ausgeruht oben.


Am höchsten Punkt der Gorges de la Nesque mit dem Mont Ventoux im Hintergrund

Vom Chalet Reynard ist der restliche Anstieg überschaubar


Unterwegs sieht man viele unterschiedliche Gestalten sich aufwärts quälen.
Ganze Familien sind mit teilweise recht abenteuerlichen Rädern unterwegs, den Berg der Berge zu erklimmen.
Und manche fahren superängstlich im Schritttempo mit quietschenden Bremsen bergab.
Ich denke mir: Da wäre eine Motorbremse eine tolle Erfindung.

Dann höre ich vor mir ein permanentes Knack-Geräusch. Ich bin neugierig und fahre schneller und entdecke:
Es ist Lüder, dessen Tretkurbel unter dem Gewicht bedenklich knackst.
Nach kurzem Ausharren an Lüders Hinterrad nervt mich das besinnungsraubende, herzbetörende Knacken, sodass ich wieder Gas gebe und dem tödlichen Geräusch entfliehe.
Mit der Folge, dass ich 20 Minuten zu früh und nicht mehr ganz ausgeruht auf dem Gipfel ankomme.


Denkmal des 1967 hier gestorbenen Radprofis Tom Simpson (mit Amphetaminen gedopt)

Geschafft !! Am Gipfel des Mont Ventoux



Aber vorher passiere ich noch die Verpflegungsstation am „Chalet Reynard“ mit Klaus.
Ich gönne mir eine kleine Erfrischung und dann geht es nicht mehr ganz so steil dem Gipfel entgegen.
Vorbei am Denkmal für den englischen Radprofi Tom Simpson, der hier vor über 40 Jahren tot umfiel.
Kurz danach werde ich fotografiert.
Der Fotograf drückt mir noch eine Visitenkarte in die Hand mit Webadresse, wo ich die Fotos abrufen kann.

Später erfahre ich, dass Armin hier so schnell vorbei raste, dass der Fotograf auf seinem Film nur einen Streifen aufgenommen hatte.

So musste Armin dann, nachdem er die Bergwertung gewonnen hatte, noch zweimal runter fahren und wieder hoch bis das Bild dann einigermaßen akzeptabel war.

Man kann sich das anschauen unter: „sport-photo.fr“ am 16. August um 14:20 Uhr.

In einem beeindruckendem Tempo fuhr Armin den
Mt. Ventoux hinauf

Gipfelschild am Mt. Ventoux

Gruppe vor der Abfahrt nach Malaucene


Oben angekommen konnte man sich wieder an den Autos verpflegen.
Außerdem gab es eine tolle Aussicht auf die Provence im Süden und die Alpen im Osten.
Aber dazu musste man sich erst durch die Reihen von Autos und Bussen quälen und dann noch an den Ständen mit Süßigkeiten vorbei kommen (war für einige besonders schwer!).
Dann die Abfahrt: Über 1500 Höhenmeter am Stück bis Malaucene.
Mein Tacho zeigt 84, dann bremse ich ab, zu viel Schiss vor dem plötzlichen Wind.
In Malaucene warten wir bis der Letzte da ist und es geht in flotter Fahrt die letzten 20 km zu unserem Zielort: Ville Dieu.
Dort finden wir auf dem Stadtplatz einen tollen Biergarten vor und träumen schon von einem gemütlichen Abend.

Tobias fragt nach dem Weg zu unserem Hotel. Es soll einmal rechts gehen und dann gleich links und dann seien wir da.
Wir düsen die Straße lang, rechts und links, immer steil bergab, dann aus dem Ort raus, immer noch bergab.
Nach 1 Km immer noch kein Hotel. Also wieder zurück in den Ort (diesmal steil bergauf). Dort noch mal fragen.
Klar, der Weg war richtig, aber wir sollen noch weiter fahren. Nach 2 Km finden wir tatsächlich das Hotel.
Es ist ein edler Landsitz mit tollem Gebäude (wie ein Museum eingerichtet) sehr gepflegtem Garten und einem Schwimmbad hinter dem Haus.

Wir nehmen das Abendessen im Garten ein: Toller Salat als Vorspeise, ein Schlemmertopf mit Gemüse, Hähnchenschenkel und Schweinshaxe. Dazu gibt es Couzcouz. Als Nachtisch wieder eine Käseplatte und danach noch frisches Obst aus eigenem Anbau.
Lukas findet in seiner Pflaume (eigentlich war es eine Renneclode, aber das kann ich nicht schreiben!) einen Wurm, den er so dressiert, dass er immer im Kreis auf dem Teller läuft.

Das Besondere: Es gab nicht nur Wasser zum trinken. Wer das Wasser lieber zum Zähneputzen benutzt, konnte den roten Hauswein genießen. Dann noch die Besprechung für morgen und die meisten fielen müde ins Bett.
Zumal es diesmal keinen Fernseher auf dem Zimmer gab und so auch keine Olympiadesendungen geguckt werden konnten.

Der Tag war ein Höhepunkt auf der Tour: Der Ventoux ist ein beeindruckender Berg.
Und wir hatten tolles Wetter: Wenig Wind, nicht zu heiß und kein Regen. Tja, wenn Engel reisen...