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5. Etappe Alpentour 2008
Mittwoch, 13. August
Guillestre – Nizza 180 km 3000 Hm
Text: Andreas Schiller

Heute also die Königsetappe!
Von Guillestre nach Nizza. 180 Kilometer mit ca. 3000 Höhenmetern. Beeindruckende Zahlen. (Jedenfalls für mich.)

Der Wecker klingelt um 7.10 Uhr. Raus aus den Federn und ab ins Bad.
Was machen die Oberschenkel? Jan würde sagen: „Schwere Beine heute.“
Der Galibier und der Izoard von gestern haben da wohl ihre Spuren hinterlassen. Doch Bange machen gilt nicht.

Gleich vom ersten Meter an geht es heute Berg auf. Nix mit Einrollen oder Laktat rausfahren oder so. Von Anfang an auf Zug.
Und das bei immerhin zwei Bergwertungen der HC Kategorie, dem Col de Vars und dem Col de la Bonette.

Der erste Pass des Tages, der 2109 Meter hohe Col de Vars ist jedoch gut zu fahren.
Schön gleichmäßig kann man bei 7-9% Steigung den Berg hinauf kurbeln. Ziemlich genau 1100 Höhenmeter sind am Stück zu bewältigen. Ich nehme mir vor, langsam und kraftsparend den Pass anzugehen, denn es gilt sich die Kräfte gut einzuteilen bei dieser langen Etappe.


Von Anfang an gehts bergauf

Oben am Col de Vars


Das Wetter entwickelt sich langsam aber sicher traumhaft.
Eine ganz leichte Bewölkung, angenehme Temperaturen und vor allem kein solch böiger Wind, wie gestern.

Der Pass ist recht schnell erreicht und damit auch die erste Verpflegungspause.
Anschließend eine rasante Abfahrt hinunter nach Jausiers, das auf 1220 Metern liegt.

Direkt am Ortsausgang von Jausiers beginnt dann der 24 km lange Aufstieg zum Cime de la Bonette, wobei 1600 Höhenmeter zu überwinden sind. Im unteren Teil lässt sich der Pass wunderbar leicht und flüssig fahren.
Bei Steigungsprozenten zwischen 5 und 7% und einer Fahrt durch bewaldetes Gebiet lässt sich das Ganze noch recht angenehm an.
Nach ca. 6 km auf einer Höhe von 1600 Metern zieht der Pass dann etwas an und wird steiler.
Auf den folgenden ca. 15 km ist eine durchschnittliche Steigung von 8 – 10% zu bewältigen und man hat kaum noch flachere Stücke zum Verschnaufen. Für mich heißt das Runterschalten und dann gleichmäßig und ausdauernd kurbeln.

Die Landschaft wird immer karger, aber auch bombastischer. Die Straße, die übrigens über einen bemerkenswert guten Belag verfügt, schlängelt sich mal gerade, mal in Serpentinen zwischen mächtigen Felsformationen hindurch immer weiter in die Höhe.
Die Baumgrenze habe ich längst hinter mir gelassen und die Passstraße ist nun der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt.
Hoffentlich reicht das Wasser in den Trinkflaschen, denn eine Dehydrierung bei dieser Strecke wäre wohl nicht so lustig.
Trotz der enormen Anstrengung kann ich das Gefühl genießen aus eigener Kraft durch eine gewaltige Landschaft zu fahren und es gelingt mir sogar nebenher noch einige Bilder mit meiner kleinen Digi- Kamera zu schießen.

Auf einer Höhe von 2678 Metern passiere ich den Col de Restefond, der dem Bonette unmittelbar vorgelagert ist.
Nach weiteren 2 km erreicht man den Col de la Bonette auf einer Höhe von 2715 Metern. Doch damit nicht genug.
Das härteste Teilstück kommt erst noch. Wenn man auch den La Bonette erklimmen will, muß man sich noch rund 1,5 Kilometer bei einer Steigung von 11 – 13% den Berg hinaufwuchten, ehe man’s geschafft hat.
Aufgrund seiner Höhe von 2802 Metern wird der La Bonette von vielen als der höchste Pass der Alpen angesehen.
Er verbindet jedoch keine zwei Täler miteinander, sondern führt nur auf einem Rundkurs um die Bergspitze der Cime de la Bonette herum.

Trotzdem ist es ein erhabenes Gefühl auf einer Höhe von 2802 Metern schnaufend vom Rad zu steigen, die ersten Brote und Kekse vom Verpflegungswagen in sich rein zu stopfen, zwei oder drei Schluck Cola ab zu pumpen und die gigantische Landschaft zu bestaunen.


Auch am Bonette sind die Hubers wieder als erste oben

Am höchsten Fahrradpunkt der Tour - La Bonette 2802 m


Nach einer ersten Stärkung mache ich mich gleich zu Fuß auf den ca. 400 Meter langen Weg hinauf zur Gipfelplattform.
Oben angekommen liegt mir der gesamte Parc National du Mercantour zu Füßen.
Man betrachtet ein unbeschreibliches 360 Grad Panorama mit einer wilden, ungezügelten Landschaft.
Es herrscht eine tolle Weitsicht, die Sonne brezelt vom Himmel. Für mich ganz klar einer der Höhepunkte unserer diesjährigen Tour.

Was nun folgt kann ebenso nur als traumhaft beschrieben werden.
Die RV Pfeil-Truppe stürzt sich nämlich nun in die wohl längste Abfahrt in den Alpen. 2800 Höhenmeter hinunter bis nach Nizza.
Auf den ersten knapp 30 km geht es rasant bergab nach St. Etienne und die Abfahrt ist auch dank des immer noch exzellenten Straßenbelages ein einziger Genuß. Von St. Etienne aus sind es immer noch ca. 90 km bis zum Mittelmeer.
Bei leicht abschüssiger Straße nimmt der Pfeil-Express Fahrt auf und rauscht mit 40 bis 50 km/h dem Etappenziel entgegen.
Einige der RV-Truppe meinen bereits den salzigen Geruch des Meeres wahrnehmen zu können.
Einbildung oder nicht, jedenfalls wird im Anblick der Verkehrsschilder mit den Kilometerangaben bis Nizza kräftig Tempo gebolzt.
Bei Kilometer 136 folgt in Roussillion die letzte Verpflegung der Etappe und anschließend geht es in etwas verringertem Tempo (man will ja schließlich bei der Ankunft in Nizza einen anständigen Eindruck machen) weiter nach Süden immer dem Tal der Var entlang.


Keine Stunde mehr bis nach Nizza

Wir sind tatsächlich da

Punkt 18 Uhr ist das Mittelmeer in Nizza erreicht

Das haben wir uns verdient


Gegen 18.30 Uhr ist es schließlich vollbracht.
Armin hat uns auch die letzten Kilometer über verschlungene Sträßchen und Fahrradwege sicher nach Nizza und bis ans Hotel gelotst. Das „Dach der Tour“ ist bezwungen, die Königsetappe geschafft. Und ich bin ganz schön platt!!
Aber eben „schön“ platt und nicht etwa völlig am Ende.
Dennoch verzichte ich auf den wohl obligatorischen Sprung ins Mittelmeer, den sich einige Pfeiler nicht nehmen lassen und lege mich statt dessen für eine halbe Stunde aufs Bett, mache die Augen zu und lasse diese Super Etappe noch einmal Revue passieren.

Doch damit ist der Tag noch lange nicht zu Ende.
Die Pfeiler fahren mit dem Bus in die Altstadt von Nizza, wo Tobias in einem landestypischen Restaurant Plätze für uns reserviert hat.
Um diese Uhrzeit (20.30 Uhr) ist das Lokal ziemlich voll und so werden wir die nächsten 3 Stunden bei ausgezeichneten Speisen und vorzüglichem Wein (darf nach der Königsetappe schon mal sein!) dort verbringen.
Anschließend ein kurzer Bummel durch die kleinen Gassen der Altstadt von Nizza und als Zugabe quasi (weil keiner Lust hatte mit dem Taxi zu fahren) macht sich die ganze Gruppe auf, an der Strandpromenade entlang die ganzen ca. 6 km zum Hotel zurück zu schlendern, welches schließlich gegen 01.00 Uhr erreicht wird.
So gab es heute also nicht nur die Königsetappe zu bewältigen, sondern es war auch mit Abstand der längste Tag der diesjährigen Tour.